Anerkannte Sachverständigengutachten zur Haltung von Tieren sind von der Tierschutzbehörde der Prüfung, ob tierschutzrechtliche Verstöße durch einen Tierhalter vorliegen, grundsätzlich zugrunde zu legen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz.
Der Antragsteller ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein u.a. zum Zwecke der artgerechten Haltung und Pflege von Tigern. Auf seinem 460 qm großen Außengehege werden derzeit zwei Tiger gehalten. Er teilte dem Antragsgegner als Tierschutzbehörde seine Absicht mit, zwei weitere Tiere aus Tschechien aufnehmen zu wollen, deren artgerechte Haltung dort nicht mehr gewährleistet werden könne. Daraufhin untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Aufnahme weiterer Tiger solange, bis für jedes zusätzliche Paar oder Einzeltier ein strukturiertes Außengehege von 500 qm zur Verfügung stehe. Diese Gehegegröße – so die Begründung – werde in verschiedenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen gefordert, die Vorgabe des sog. Säugetiergutachtens aus dem Jahr 2014 von nur mindestens 200 qm Gehegefläche entspreche nicht mehr dem allgemeinen Standard. Aus demselben Grund und ebenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs beschränkte der Antragsgegner zugleich die in der früheren tierschutzrechtlichen Erlaubnis zur Haltung und Zurschaustellung von Tigern geregelten Höchstzahl von acht auf zwei Tiere. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche an das Verwaltungsgericht, das dem Eilantrag stattgab.
Die Untersagungs- und Beschränkungsbescheide seien bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig anzusehen. Eine abzuwendende konkrete Gefahr eines tierschutzwidrigen Sachverhalts durch die Aufnahme zweier weiterer Tiger bestehe nicht. Das von Fachvertretern unter Leitung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Jahr 2014 erstellte sog. Säugetiergutachten müsse hinsichtlich seiner fachlich weithin anerkannten Mindeststandards noch immer als hinreichend aktuelles antizipiertes Sachverständigengutachten für die Haltung von Tigern herangezogen werden. Von diesen Mindeststandards könne die Tierschutzbehörde nur ausnahmsweise im Einzelfall abweichen. Im Übrigen bedürfe es einer Auseinandersetzung mit dem Säugetiergutachten auf fachwissenschaftlicher Ebene. Die nach dem Gutachten derzeit vorgesehene Mindestfläche von 200 qm für ein Tigerpaar erlaube die Aufnahme eines weiteren Tierpaares durch den Antragsteller.
(Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 2. Februar 2023, 1 L 11/23.MZ)