Grundstückseigentümer können von der Bauaufsichtsbehörde kein Einschreiten wegen Verstößen gegen die in einem Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl auf angrenzenden Grundstücken verlangen, wenn der Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde keine nachbarschützende Bedeutung zukommen soll. Im zu entscheidenden Fall ist auch nicht erkennbar gewesen, dass die Festsetzung der Grundflächenzahl zum Schutz der bebauten Grundstücke vor Starkregen aus dem Außenbereich – dem eigentlichen Klageinteresse – Aufnahme in den Bebauungsplan gefunden hat. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz.
Die Kläger, Eigentümer eines Wohngrundstücks am Ortsrand, forderten die beklagte Baubehörde auf, gegen zwei nahe, im Eigentum der Beigeladenen stehende Grundstücke wegen die Grundflächenzahl von 0,4 überschreitender Bebauung vorzugehen. Das lehnte der Beklagte u.a. unter Hinweis darauf ab, dass der Festsetzung der Grundflächenzahl in dem im Jahr 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplan keine nachbarschützende Wirkung zukomme. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, mit der sie den Rückbau der baulichen Anlagen auf den Grundstücken der Beigeladenen auf die nach dem Bebauungsplan erlaubte Grundflächenzahl weiter verfolgen. Zur Begründung tragen sie vor, es handele sich bei der Festsetzung um eine nachbarschützende Regelung, die sich nach der aktuellen Rechtsprechung auch noch nachträglich ergeben könne. Das sei hier der Fall: Die Gemeinde habe eine nachbarliche Schicksalsgemeinschaft der Grundstückseigentümer der Ortsrandlage dadurch begründet, dass sie unlängst die Heraufsetzung der Grundflächenzahl in Bebauungsplänen unter Hinweis auf Probleme durch Regenwasserabfluss aus dem Außenbereich bei Zulassung eines erhöhten Versiegelungsgrades abgelehnt habe. Von Starkregen seien sie – die Kläger – schon jetzt betroffen: Bedingt durch die Hanglage des Außenbereichs fließe das Niederschlagswasser unmittelbar auf ihr Grundstück. Diese Situation verschlechtere sich durch die rechtswidrige Bebauungsdichte auf den Beigeladenengrundstücken. Der Beklagte und die beigeladenen Grundstückseigentümer verneinten im Kern den nachbarschützenden Charakter der bauplanerisch festgelegten Grundflächenzahl. Die ebenfalls beigeladene Gemeinde wies außerdem darauf hin, dass zwischenzeitlich getroffene Maßnahmen wie die Schaffung einer Entwässerungsmulde die Problematik der Außengebietsentwässerung für die Ortsrandbebauung entschärft hätten. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.
Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Durchsetzung der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl von 0,4 auf den Nachbargrundstücken, weil nicht erkennbar sei, dass die Gemeinde die Festsetzung (zumindest auch) zum Schutz der betroffenen Grundstückseigentümer in den Bebauungsplan aufgenommen habe. Aus den Unterlagen zur Aufstellung des Bebauungsplans ergebe sich vielmehr, dass die Festsetzung (mit anderen Regelungen zusammen) allein dem von der Gemeinde verfolgten städtebaulichen Ziel diene, eine aufgelockerte Bebauung im neu ausgewiesenen Wohngebiet am Ortsrand zu schaffen. Ein Zusammenhang zwischen der Grundflächenzahl und dem Schutz vor Niederschlagswasser stelle der Bebauungsplan an keiner Stelle her. Der allgemeine Grundsatz, dass eine geringere Flächenversiegelung dem Hochwasserschutz förderlich sei, biete noch keinen Anhalt für die Absicht des Plangebers, eine auf Ausgleich von Nachbarinteressen angelegte Festsetzung im Bebauungsplan verankern zu wollen. Wenn eine Gemeinde sich ihrem objektiv-rechtlichen Pflichten- und Verantwortungskreis hinsichtlich des Hochwasserschutzes bei der Ablehnung einer Änderung von Bebauungsplänen verpflichtet gesehen habe, ergäben sich auch nachträglich keine Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Interessenausgleich. Die Missachtung der Grundflächenzahl durch einzelne Bebauungen begründe auch keine Einschreitenspflicht des Beklagten nach dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme. Dieses sei nur bei unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Niederschlagswasser einschlägig, etwa wenn solches gezielt auf Nachbargrundstücke geleitet oder Schäden von außergewöhnlichem Ausmaß zu befürchten seien, denen auch mit Selbsthilfemaßnahmen des Grundstückseigentümers nicht begegnet werden könne. Die Kläger hätten solche Verhältnisse jedenfalls unter Berücksichtigung der zuletzt von der Gemeinde veranlassten Schutzmaßnahmen am Ortsrand nicht aufzeigen können.
(Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 7. Dezember 2022, 3 K 567/21.MZ)